„Ich bin das Faktotum der schönen Welt” – mit diesem Satz stellt sich der „Barbier von Sevilla” in Gioacchinos Rossinis gleichnamiger Oper vor. „Bald heisst's rasieren, bald rapportieren! Bald ein Billettchen dort adressieren! Man ruft, man seufzt nach mir, will mich bald dort, bald hier!”: Der französische Schriftsteller und Abenteurer Augustin Caron de Beaumarchais führt diesen Prototypen aller Hairstylisten und Bartscherer 1775 in die europäische Literatur ein. Mozart und sein Librettist Lorenzo Da Ponte machen aus dem zweiten Teil seiner Figaro-Trilogie „La folle journée ou Le mariage de Figaro” ihre komische Oper „Le nozze di Figaro” und Giovanni Pasiello adaptiert 1782 – wie später auch Rossini – den ersten Teil „Le Barbier de Séville ou La précaution inutile” und produziert mit diesem heiteren „Dramma giocoso” einen Opernhit, der europaweit aufgeführt wird. 1816 komponiert der 23-jährige Rossini seinen „Barbier von Sevilla” nach einem Libretto von Cesare Sterbini in nur drei Wochen. Das Werk, das sich mit dem ursprünglichen Titel „Almaviva o sia L’inutile precauzione” deutlich von Paisiellos populärer Vorlage abgrenzt, wird im Karneval 1816 am Teatro Argentina im Rom uraufgeführt. Die Premiere endet allerdings in einem Fiasko. Der Komponist erinnert sich: „Als meine Oper herauskam, stürzten sie wie wilde Tiere auf den bartlosen kleinen Maestro, und die erste Aufführung war eine der stürmischsten. Ich war aber nicht beunruhigt, und während die Zuhörer pfiffen, klatschte ich den Aufführenden zu.“ Aus Beaumarchais’ Stoff mit vielen Seitenhieben auf die Willkürherrschaft des französischen Ancienne Regime wird eine Verkleidungskomödie oder eine mit Orchestermusik unterlegte Commedia dell’arte über den schlauen Barbier, den tölpelhaften Grafen Almaviva, den geizigen Mediziner Bartolo und die schöne Rosina, um die sich alles dreht. Der turbulente Plot führt zu einem Happy End – übrigens auch für den jungen Komponisten: der unbeschwerte und humorvolle Rossini-Stil mit seinen Arien-Evergreens unterhält noch heute – und hat alle anderen „Figaro”-Bearbeitungen auf dem Musiktheater erfolgreich „überdauert”.