Medea: Musik eines inneren Konflikts

veröffentlicht am
Venerdì
29 novembre 2024

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Am Dienstag, den 10. Dezember in Bozen und am Mittwoch, den 11. Dezember in Trient, wird die Symphonie- und Opernsaison mit einem Konzert fortgesetzt, das die Komposition Cede pietati, dolor – Le anime di Medea von Silvia Colasanti in Dialog mit der Sinfonie Nr. 4 in Es-Dur „Romantische“ von Anton Bruckner bringt. Wir haben mit Colasanti über die Entstehung von Cede pietati gesprochen, aber auch über ihre Hoffnungen für die Zukunft der Musik…

Cede pietati, dolor ist von Senecas berühmter Tragödie Medea inspiriert. Im Mittelpunkt steht eine Frau und ihre komplexe Innenwelt. Wie entstand dieses Werk? Welche Emotionen und Gedanken begleiteten die Entstehung?

Dieses Werk entstand 2007 im Auftrag von Aldo Bennici für das Orchestra della Toscana. Der Anlass war ein Konzert, in dem Jiří Antonín Bendas Medea aufgeführt werden sollte. Ich entschied mich, ein rein symphonisches Stück zu komponieren, das ohne Gesang die innere Dramatik von Medea durch die Musik erzählt. Dabei ließ ich mich von Senecas Text inspirieren, in dem Medea all ihre inneren Konflikte offenbart. Medea ist ein Symbol dafür, was geschieht, wenn große Stürme die Vernunft ins Wanken bringen. In der Tragödie wird sie zerrissen zwischen ihrer Rolle als Ehefrau und als Mutter: Einerseits ist sie die Frau, die sich fürchterlich an ihrem untreuen Ehemann rächen will, indem sie ihm das Liebste nimmt – die gemeinsamen Kinder. Andererseits ist sie eine Mutter, die instinktiv ihre Kinder schützen möchte. Doch, wie der Titel des Werkes schon andeutet, triumphiert am Ende ihre zerstörerische Leidenschaft und ihr Hass über die pietas, die Pflicht zur Barmherzigkeit.

Das Werk wird zusammen mit Anton Bruckners Vierter Sinfonie, der „Romantischen“, präsentiert. Wie bewerten Sie diese Kombination?

Ich finde die Idee, zeitgenössische Werke mit Repertoirestücken zu kombinieren – wie in diesem Fall die „Romantische“ von Bruckner – äußerst gelungen. Ich habe gesehen, dass die gesamte Programmgestaltung in diesem Sinne aufgebaut ist, und finde das wunderbar. Es ist wichtig, zeitgenössische Musik nicht vom Repertoire zu isolieren. Diese Herangehensweise ermöglicht dem Publikum, neue Werke zu entdecken, und gibt uns Komponist:innen die Gelegenheit, nicht nur mit Experten für zeitgenössische Musik in den Dialog zu treten, sondern auch mit musikbegeisterten Menschen, die Werke von Bruckner oder Beethoven verstehen und gleichzeitig offen sind, andere Repertoires zu hören und aufzunehmen.

Hat sich Ihr Kompositionsstil im Laufe der Zeit verändert? An welchen Projekten arbeiten Sie aktuell?

Ich glaube, dass sich der Stil eines Komponisten verändert, sobald das Geschriebene widerspiegelt, wer wir sind. In uns allen gibt es (hoffentlich) eine Form von Entwicklung und wachsendem Bewusstsein. Dieser innere Prozess schlägt sich zwangsläufig in der Musik nieder, die wir schreiben. Meine Werke tendieren zunehmend zum Theater. Auch das Stück, das das Publikum in Bozen und Trient hören wird, ist symphonisch, jedoch von einer starken theatralischen Erzählweise geprägt. Für mich ist Theater nicht nur Oper: Dramaturgische Elemente finden sich auch in meinen Werken der sogenannten „absoluten Musik“.
Aktuell habe ich eine Oper beendet, L’ultimo viaggio di Sinbad, die am Teatro dell’Opera in Rom aufgeführt wurde. Das Libretto basiert auf einem Text von Erri de Luca. Derzeit arbeite ich an einer Oper für die Scala mit dem Titel Anna A. Das Libretto stammt von Paolo Nori und behandelt das Verhältnis von Kunst und Macht, dargestellt durch das exemplarische Leben der großen Dichterin Anna Achmatowa.

Das Konzert findet in einem besonderen Zeitraum statt: Im Dezember, einem Monat voller Feierlichkeiten und Reflexionen über das vergangene Jahr. Was wünschen Sie dem Publikum und vielleicht auch der Musik?

Mein Wunsch ist, dass Musik immer stärker in unser Leben integriert wird. Darüber hinaus hoffe ich, dass der Kunst im Allgemeinen – auch von der Politik – eine zentrale Rolle zugesprochen wird.

Nuovo progetto (13)
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